- Sylvie Ranft
Viele Ratgeberseiten empfehlen für die Wasserversorgung der Kaninchen die Verwendung von stabilen schweren Tonnäpfen, wo täglich frisches Wasser eingefüllt werden soll. Durch diese natürlichere Aufnahme des Wassers für das Kaninchen sollen gleich mehrere Argumente sprechen:
Aufnahme von einer größeren Wassermenge, da diese Form des Trinkens für das Kaninchen weniger anstrengend ist.
Durch die größere aufgenommene Menge an Wasser soll bestimmten Krankheiten wie Nierensteinen und Blasengrieß besser vorgebeugt werden
Dennoch verschweigt diese zugegebenermaßen sehr logische Argumentation die doch recht großen Nachteile diese Methode.
Die Kaninchen treten in die Näpfe hinein und verunreinigen daher recht schnell das Frischwasser.
Futterreste und Einstreu landen ebenfalls schnell im Wassernapf.
Manche Tiere urinieren in die Näpfe.
Der Inhalt wird doch ab und zu verschüttet und durchnässt die Einstreu oder noch schlimmer: es ist kein Trinkwasser mehr da bis es der Besitzer bemerkt.
Insekten suchen gerade im Sommer ebenfalls nach Wasserstellen und ertrinken dann oft in den Wassernäpfen, wodurch es ebenfalls zu Verunreinigungen kommt.
Der Halter hat keine Info darüber, wieviel Wasser vom Kaninchen tatsächlich getrunken wurde.
Aus diesem Grund wurden vor vielen Jahrzehnten die sogenannten Nippeltränken erfunden, also Flaschen oder Plastikgefäße die am oder im Gehege befestigt werden und an welchen das Kaninchen mit der Zunge lecken muss damit das Wasser dann langsam aus dem Gefäß ins Mäulchen fließt. Das hat natürlich mehrere Vorteile:
Das Wasser wird nicht verunreinigt, da es sich in einem abgeschlossenen System befindet.
Die Einstreu bleibt trocken.
Der Wasservorrat ist je nach Flaschengröße recht groß.
Der Beitzer kann genau sehen, wieviel Wasser in einem bestimmten Zeitraum tatsächlich aufgenommen wurde, was zur Gesundheitsvorsorge nützlich sein kann.
Warum sind diese offensichtlich sehr praktischen Nippeltränken dann bei Tierschützern so verpönt?
Es handelt sich um eine unnatürliche Form der Wasseraufnahme, die beim durstigen Kaninchen zu Leiden und Qualen führt, da der Durst eben nur langsam und mit gewisser Anstrengung gestillt werden kann.
Die Kaninchen trinken auf diese Weise dauerhaft einfach zu wenig und erkranken dadurch häufiger an Nierenleiden oder Blasenleiden.
Zum Glück gibt es Wissenschaftler, die diese Frage schon für uns untersucht haben und uns bei der Qual der Wahl für die richtige Wasserversorgung unserer Lieblinge unterstützen. So stellte Anja Tschudin in iherer Dissertation zum Thema: Untersuchung zur Wasser- und Futteraufnahme beim Zwergkaninchen unter verschiedenen praxisrelevanten Fütterungs- und Tränkeregimes folgendes fest:
1. "Im Wahlversuch wurde die Offentränke bevorzugt. Unter Wasserrestriktion nahmen die
Kaninchen bei Offentränke 20% mehr Wasser auf als bei Angebot über die Nippeltränke."
Das bedeutet, dass Kaninchen offenbar lieber aus den Näpfen trinken und wenn die Wasserzufuhr zeitlich beschränkt ist, mehr Wasser aus dem Napf als aus der Flasche zu sich nehmen. Diese Tatsache scheint mir in besonderem Maße relevant für Kaninchenhalter, die im Winter ihre Kaninchen bei Minusgraden versorgen müssen. Durch das gefrorene Wasser ist die Wasseraufnahmezeit für das Kaninchen nicht jeder Zeit möglich und daher ist es sinnvoll ihnen mehrmals täglich das Trinkwasser aus einem Napf anzubieten.
2. "[...] bei ad libitum Wasserzugang ergab sich kein Unterschied [zwischen Napf und Nippeltränken]. Ein Petersilienanteil von mind. 50% und Heu ad libitum steigerten die Gesamtwasseraufnahme und -ausscheidung auf dasDoppelte und führten zu weniger konzentriertem Urin. DieseFütterung kann zur Harnsteinprophylaxe empfohlen werden."
Quelle: https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/41260/12/AT_dissertation_kaninchen_2010.pdf
Man kann also davon ausgehen, dass die Wahl der Tränken keinen Einfluss auf die Trinkmenge der Kaninchen hat und wir uns einfach für die uns praktischer erscheinende Lösung entscheiden können. Bleibt noch die Frage, ob sich die Kaninchen durch das unnatürliche "Nippeln" beim Trinken in tierschutzrelevanter Art beeinträchtigt fühlen? Ehrlich gesagt, weiß man es einfach nicht. Sie scheinen das Trinken aus dem Napf zu bevorzugen, was aber nicht heißt, dass für sie das Trinken aus Nippeltränken eine Qual darstellt.
Für uns persönlich überwiegen die klaren Vorteile von Nippeltränken, weshalb wir für uns diese Form der Wasserversorgung unserer Tiere bevorzugen. In ihrer Dissertation, empfiehlt die Autorin im Hobbybereich allerdings die Wasserversorgung über Näpfe.
"Aufgrund des negativen Einflusses unter Wasserrestriktion allerdings und wegen der
deutlichen Präferenz der Kaninchen im Wahlversuch empfehlen wir, den Kaninchen
Offentränken anzubieten. Um Verschmutzungen zu minimieren, sollte die Tränke auf einer
erhöhten Fläche platziert werden.
Im Sinne einer Harnsteinprophylaxe empfiehlt sich aufgrund der gefundenen Ergebnisse eine
Fütterung mit Heu und einem grossen Anteil an Frischfutter. Dadurch können sowohl die
Wasseraufnahme als auch die –ausscheidung stark erhöht und die Calciumkonzentrationen
im Urin verdünnt werden. Körnermischungen sind hinsichtlich einer Harnsteinprophylaxe
aufgrund der bei ihnen reduzierten Wasseraufnahme ungünstig und sollten vermieden."
